Die Familie der Gans Edlen Herren zu Putlitz und Wolfshagen
Torsten Foelsch:
Die Gans Edlen Herren zu Putlitz. Mosaiksteine aus ihrer Familiengeschichte
Das Wolfshäger Schloß ist eine der bedeutendsten barocken Bauschöpfungen in der Prignitz. Die imposante zweigeschossige Zweiflügelanlage wurde in den Jahren von Albrecht Gottlob Gans Edlen Herren zu Putlitz (17441-1806) 1786/87 auf zum Teil mittelalterlichen und Renaissance-Vorgängerbauten errichtet und erhebt sich in malerischer Umgebung auf einem Plateau am Ufer der Stepenitz, unmittelbar an einer Gelände-Abbruchkante des Stepenitztales.[1] Wolfshagen ist ein uralter Putlitz-Besitz und eines der Stammhäuser dieses Geschlechts, einst ein Zentrum der Herrschaft Putlitz, über Jahrhunderte die bedeutendste Besitzung der Familie neben Putlitz selbst. Von der Gutsherrschaft Wolfshagen spalteten sich im 18. und 19. Jahrhundert im Zuge der Verselbständigung jene Güter ab, die schließlich bis 1945 im Besitz der Familie Gans zu Putlitz blieben (Groß Pankow, Laaske, Retzin, beide Putlitz).
Die aus der Altmark (Gänseburg bei Pollitz) stammenden Gans Edlen Herren zu Putlitz brachten im Ergebnis des Wendenkreuzzuges 1147 das ganze Flußgebiet der Stepenitz unter ihre Herrschaft und bauten hier - wie die Edlen von Plotho im Süden der Prignitz - neben den Bischöfen von Havelberg einen ausgedehnten unabhängigen Herrschaftsbereich auf, der neben der terra Putlitz, über die der Bischof von Havelberg die Lehnshoheit ausübte, auch die terrae Perleberg, Wittenberge, Lenzen, Pritzwalk und Grabow umfaßte.[2] In diesen Gebieten nahmen sie landesherrliche Rechte in Anspruch, leiteten das Besiedlungswerk, gründeten Burgen und die Städte Perleberg, Wittenberge und Putlitz sowie als Abschluß ihres Kolonisationswerkes 1231 das Zisterzienserinnen-Nonnenkloster Marienfließ im äußersten Norden der Herrschaft Putlitz, und gehörten als einzige der Prignitzer Familien bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts dem Herrenstand an. "Sie waren zugleich die Lehnsherren der innerhalb ihres Herrschaftsbezirkes seßhaften adelichen Mannschaft, und hatten daher einen bedeutenden Lehnhof; sie genossen alle nutzbaren landesherrlichen Rechte, ohne Ausnahme, innerhalb ihrer Herrschaft; sie konnten innerhalb ihrer Herrschaft beliebig über das Grundeigentum verfügen, es verleihen und vereignen, Städte, Klöster und Kirchen darauf gründen und damit bewidmen ..." [3]
Die hervorragende Stellung, die die Edlen Gans im Mittelalter unter dem märkischen Adel einnahmen, kommt auch durch Eheschließungen einzelner Familienmitglieder mit altfürstlichen Geschlechtern im 13. Jahrhundert zum Ausdruck. [4] In Bündnissen, Friedensschlüssen und anderen Verträgen des 13. und 14. Jahrhunderts wurden die Edlen Gans den fürstlichen und reichsgräflichen Personen gleichgestellt "und dem gewöhnlichen Adel entschieden überhoben." [5] Bereits unter den askanischen Markgrafen bekleideten Mitglieder der Familie Gans das Obermarschallamt, das damals noch nicht erblich war. Schließlich belieh 1373 Markgraf Otto der Faule von Brandenburg (1346-1379) die Brüder Otto und Burchard Gans Edle zu Putlitz erblich mit dem Obermarschallamt. [6] Die Erbmarschallwürde der Kurmark Brandenburg, die seit 1747 an den jeweiligen Senior der Familie und vorhandenen alten Familienbesitz gebunden war und spätestens seit dem 16. Jahrhundert, als mit den kurfürstlichen Räten Vorformen ministerieller Institutionen und Verwaltungsstrukturen geschaffen wurden, nur mehr ein Hofamt mit zeremonieller Bedeutung (bei Huldigungen, Krönungen, Trauerfeierlichkeiten etc.) ohne politischen Einfluß darstellte, hatte die Familie bis zum Ende der preußischen Monarchie (1918) inne. Erst mit der Begründung des preußischen Herrenhauses als erster Kammer des neuen Landtages durch König Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1854 erhielten die vier großen Landesämter (Oberburggraf, Obermarschall, Landhofmeister und Kanzler) wieder eine politische Bedeutung, als sie mit einem ständigen Sitz im Herrenhause verbunden wurden. Die Berufung ins Herrenhaus erfolgte auf Lebenszeit. Am 27. März 1873 konnte der damalige Erbmarschall der Kurmark, Albert Eduard zu Putlitz (1789-1881), das 500. Jubiläum, seitdem die Erbmarschallswürde ununterbrochen von der Familie zu Putlitz bekleidet worden war, mit einem feierlichen Diner, zu dem der Schwiegervater seines Sohnes Gustav, Graf Adolf Königsmarck (1802-1875), alle erreichbaren Familienmitglieder nach Berlin lud, begehen. Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) verlieh Albert Eduard zu Putlitz aus diesem Anlaß das Prädikat Excellenz und die Kaiserin Augusta (1811-1890) schenkte ihm eine KPM-Vase mit dem Bildnis des Kaisers, die sich bis 1945 in Laaske befand. Der letzte Erbmarschall der Kurmark Brandenburg bis zum Untergang der Monarchie war der in Groß Pankow lebende Konrad zu Putlitz (1855-1924), der als Senior der Familie nach dem Tode seines Vetters Gebhard zu Putlitz (1849-1916) von der älteren Linie (Philippshof) dieses hohe Amt und den Sitz im Preußischen Herrenhaus übernahm.
Ihre ursprüngliche Territorialhoheit über ausgedehnte Gebiete der Prignitz mußten die Edlen Gans zu Beginn des 13. Jahrhunderts zugunsten der Markgrafen von Brandenburg aufgeben, die nach Ausdehnung ihrer landesherrlichen Gewalt strebten. Infolge dieser Entwicklung sowie der Ergebnisse der brandenburgisch-dänischen Kämpfe von 1214 um die Vorherrschaft im Ostseeraum geriet Johann Gans (damals Senior des Geschlechts) zwischen die Fronten der großen Mächte und suchte das Weiterbestehen seiner Herrschaft durch ein Bündnis mit Dänemark zu sichern - wie Clemens Bergstedt durch neue Forschungen überzeugend festgestellt hat. Er verlor zwar im Ergebnis dieses Krieges die terrae Grabow an die Grafen von Schwerin, die terrae Pritzwalk und Lenzen an Markgraf Albrecht II. von Brandenburg und mußte die terra Putlitz der Lehnshoheit der Havelberger Kirche unterstellen. Dagegen behielt er Perleberg und Wittenberge und konnte trotz aller Verluste im Grunde die Unabhängigkeit seiner Stellung und den Weiterbestand der eigenen Herrschaft zunächst sichern.
Nach der Säkularisierung des Bistums Havelberg ging auch für die terra Putlitz, die Ende des 15. Jahrhunderts noch 35 Dörfer umfaßte, die Lehnsherrschaft an den Kurfürsten über. Die terra Perleberg, die einer Linie der Familie gehörte, ging um 1300 verloren, als dieser Zweig ausstarb. Dieser Bezirk wurde als erledigtes Lehen eingezogen. Lediglich die Grundherrschaften Putlitz und Wittenberge verblieben den Edlen Gans als Lehen aus alter Zeit. [7] Wittenberge ging ihnen schließlich 1781 durch Verkauf verloren. [8]
In der alten Herrschaft Putlitz konzentrierten sich im Verlaufe des 16. Jahrhunderts die über zahlreiche Siedlungen verstreuten Herrschaftsrechte der Gans Edlen Herren zu Putlitz sukzessive auf kleinere Komplexe, in denen sich damals die Umwandlung zu gutsherrschaftlichen Eigenwirtschaften vollzog. Hierbei bildeten sich schließlich drei Gutsbezirke heraus, die die Herrschaft von Norden nach Süden gliederten, mit den Zentren Putlitz, Wolfshagen und Nettelbeck. Die alte Herrschaft Putlitz umfaßte 1686 insgesamt 56 Siedlungen bzw. Anteile in Siedlungen, davon 21 wüste Feldmarken, wobei die Gutsherrschaft Wolfshagen mit 18 Siedlungen, davon 3 wüste Feldmarken, davon den größten Bereich ausmachte. [9] In diesem Gebiet konnte sich die Familie bis 1945 auf mehreren Gütern behaupten und die durch die Veränderungen des Lehnsrechtes und die im Rahmen der Stein-Hardenberg'schen Gesetzgebungen eingeleiteten Reformen der ländlichen Rechtsverhältnisse notwendigen Umstrukturierungen ihrer Besitzungen zu Gutswirtschaften bewältigen und hier sogar neue Güter oder Vorwerke begründen (Laaske, Retzin, Hellburg, Rohlsdorf, Klein Langerwisch, Horst, Dannhof) oder erwerben (Groß Langerwisch 1908).
Mitglieder der Familie Gans zu Putlitz standen zu allen Zeiten in landesherrlichen Diensten, waren als Gutsherren auf ihren Gütern und in lokalen Verwaltungsämtern sowie politischen Stellungen tätig oder widmeten sich dem Militärdienst. Einige bekleideten auch hohe geistliche Ämter oder betätigten sich in künstlerischen Berufen. Einige hervorragende Persönlichkeiten und Charakterköpfe aus der Familie sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Mit der Gründung des Zisterzienserinnennonnenklosters Marienfließ am Oberlauf der Stepenitz, nahe der mecklenburgischen Grenze, im Jahre 1231 durch Johannes Gans (um 1170 † um 1249) krönte die Familie das von ihr maßgeblich geprägte und mitgestaltete Kolonisations- und Christianisierungswerk in der Prignitz infolge des Wendenkreuzzuges. Bis 1945 nahm die Familie in Marienfließ ihre Pflichten und Rechte als Patron des Klosters bzw. späteren Stifts wahr. Auch heute gehen wieder wesentliche Impulse von der Familie Gans zu Putlitz bei der Erhaltung und Unterstützung des evangelischen Stifts Marienfließ durch einen von ihr initiierten Förderverein aus.
Berühmtheit erlangte um 1400 Caspar Gans zu Putlitz als starker Landeshauptmann der Prignitz und Altmark und potentieller Kandidat für die Nachfolge in der vakanten markgräflichen Würde (1411). Außer Land, Burg und Stadt Wittenberge und der Herrschaft Putlitz besaß Caspar Gans damals als markgräfliches Pfand die wichtigen Grenzvesten Gorlosen und Lenzen sowie Schloß und Vogtei Tangermünde in der Altmark. Als 1411 der Burggraf von Nürnberg vom Kaiser zum Verweser der Mark eingesetzt wurde, gehörte Caspar Gans zu den führenden Vertretern der märkischen Ständeopposition, die aber schließlich nach dem glücklosen Winterfeldzug gegen den Burggrafen 1413/14 diesen als neuen Landesherren anerkennen mußte und ihm huldigte.
Fortan dienten die Edlen Gänse den hohenzollern'schen Markgrafen und Kurfürsten treu in den verschiedensten Ämtern und Funktionen. Zu nennen wären hier ganz besonders die verschiedenen Hauptmänner der Prignitz im 15. und 16. Jahrhundert: Caspar 1404-1412, Bischof Wedigo 1482, Johann 1487, Caspar 1508-20, Johann 1538-46 und Maximilian August 1652. Daneben standen sie aber auch in ausländischen Kriegsdiensten, so z. B. in Ungarn und den spanischen Niederlanden.
Christoph Gans Edler Herr zu Putlitz, 1588 auf dem Eickerhof in der Altmark geboren, studierte mit seinem Bruder Moritz (geb. 1589) und unter Anleitung eines Hauslehrers spätestens ab 1602 in Frankfurt an der Oder an der 1506 gegründeten Universität Jura. Im Geburtsrang höchster Student/Schüler, hatte ihn die Universität zum Rector magnificus erwählt und in dieser Repräsentationsaufgabe ludt er 1602 die Mitglieder (Cives) der Universität mit einer gedruckten lateinischen Gedächtnisrede zur Gedenkfeier für die 6 Wochen vorher verstorbene Kurfürstin Catharina (1549-1602), Gemahlin des brandenburgischen Kurfürsten Joachim Friedrich (1546-1608), ein. Später ging er mit seinem Bruder Moritz auf die Nürnbergische Universität Altdorf, wo Christoph Gans ebenfalls zum Rector erwählt wurde. Christoph war Kanonikus des Klosterstifts Magdeburg und verstarb dann allerdings sehr jung 1607 - ebenso wie sein Bruder Moritz - in Vehlefanz bei Kremmen im Hause seines Schwagers Hans von Bredow an den Pocken. In der Kirche zu Vehlefanz haben sich Figurengrabsteine für dieses Bruderpaar und auch für ihre Schwester Margarethe von Bredow, die erst kurz zuvor am 10. Oktober 1606 nach der Geburt ihres Sohnes Joachim gestorben war, erhalten, von denen 2002 Kopien angefertigt wurden, die in der neuen Schloßkapelle in Wolfshagen aufgestellt worden sind.
Neben Christoph zu Putlitz bekleideten auch andere Familienmitglieder des Hauses Gans im Verlaufe des 16. Jahrhunderts Rektorenstellungen an verschiedenen Universitäten. So war der erste Rector Magnificus der 1506 von Kurfürst Joachim I. (1484-1535) gegründeten Universität in Frankfurt an der Oder Busso Gans Edler Herr zu Putlitz († 1559). Sein Vetter Jürgen († 1603) war 1558 Rector in Frankfurt, dessen Bruder Stephan (1551-1613) zunächst 1570 Rector in Wittenberg und 1573 auch in Frankfurt. [10]
Andere Familienmitglieder bekleideten am kurfürstlichen Hof in Cölln wichtige Ämter. Genannt werden hier besonders: Wedigo (1495-1551), Johannes (1430-1518) und Kaspar (1460-1530), die beim Kurfürsten Joachim II. in besonderer Gunst gestanden haben. Wedigo bekleidete das Amt eines kurfürstlichen Rates. Unter Kurfürst Johann Georg (reg. 1571-1598) waren es besonders Georg (1532-1586), Wedigo Reimar (1567-1626), der Vorsitzender der kurbrandenburgischen Kommission für preußische Sachen war, und Philipp († 1603). Danach folgte dann Adam Gans (* vor 1578 † 1621), der vermutlich in Wittenberg studierte und bereits 1587 als kurpfälzischer Rat in Erscheinung trat. Bald nach 1590 trat er in brandenburgische Dienste und wurde beim Regierungsantritt Kurfürst Joachim Friedrichs 1598 Hofmarschall und Amtskammer-Rat. Er war enger Vertrauter des Kurprinzen und späteren Kurfürsten Johann Sigismund und trat in außenpolitischen Fragen offensiv gegen die zögerliche Politik des Geheimen Rates unter Kanzler Löben für ein Bündnis mit den lutherisch-reformierten Mächten gegen den Kaiser und Spanien ein. Unter den Kurfürsten Johann Sigismund und Georg Wilhelm leitete er als Statthalter mehrfach die brandenburgische Innenpolitik und vertrat kompetent und energisch immer wieder landesherrliche Positionen in den Verhandlungen mit den kurmärkischen Ständen. Auch für diplomatische Missionen im Ausland wurde er vom Kurfürsten bevorzugt eingesetzt, so führte Adam Gans 1612 und 1619 die kurbrandenburgische Deligation auf den Kaiserwahltagen des Reichstages in Frankfurt am Main an. An den langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit der polnischen Krone wegen der Succession des Hauses Kurbrandenburg im Herzogtum Preußen hatte Adam Gans zu Putlitz einen entscheidenden Anteil. [11] Seine enge Bindung zum kurfürstlichen Hause kam u. a. auch dadurch zum Ausdruck, daß Adam Gans neben der Mutter und den Schwestern des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg 1620 bei der Taufe des Kurprinzen Friedrich Wilhelm, des späteren Großen Kurfürsten, Pate stand. In Wolfshagen ließ er schließlich Ende des 16. Jahrhunderts das dortige alte Schloß im Renaissancestil großzügig umbauen und verfügte testamentarisch den Bau einer Familiengruft an der dortigen Schloßkirche.
1735 vereinigte Christian Ludwig Gans Edler Herr zu Putlitz (1709-1786) durch Tausch mit seinen Vettern das alte Stammgut Wolfshagen wieder in einer Hand und konnte den geschlossenen Besitz zielstrebig sanieren und Wolfshagen zum Mittelpunkt einer bedeutenden Gutsherrschaft entwickeln, an die sich allmählich die sämtlichen Familiengüter angliederten, die sich bis 1945 im Besitz der Gans Edlen Herren zu Putlitz befanden. Christian Ludwig zu Putlitz war es nicht zuletzt auch auf Grund seines besonderen unternehmerischen Kalküls geglückt, seine einzelnen Gutswirtschaften durch eine kluge Ausnutzung der friderizianischen Binnenkolonisationspolitik auszubauen, zu modernisieren bzw. neue Eigenwirtschaften (Vorwerke) zu begründen. Bevor er allerdings Wolfshagen in Eigenbewirtschaftung nahm, wurde das Gut 1736 zur Verpachtung auf 6 Jahre ausgeschrieben. Der jährliche Ertrag des Gutes wurde damals auf 2.229 Taler veranschlagt. 1773 übergab Christian Ludwig zu Putlitz die bedeutende Herrschaft Wolfshagen seinem ältesten Sohn Albrecht Gottlob (1741-1806), der bis dahin in Laaske lebte und die dortige Gutswirtschaft führte. Er selbst behielt sich seinen Wohnsitz in Wolfshagen vor. Das Wolfshäger Schloß ließ Albrecht Gottlob schließlich teilweise abtragen und in den Jahren 1773 bis 1786/87 auf den alten Fundamenten ein für damalige Verhältnisse sehr stattliches neues Schloß im Stil des Spätbarock errichten, von dem heute noch West- und Nordflügel erhalten sind. Der geplante Ostflügel kam vermutlich gar nicht mehr zur Ausführung.
Auch sein in Groß Pankow lebender jüngerer Bruder, Gebhard Gans Edler Herr zu Putlitz (1742-1826), ist familiengeschichtlich außerordentlich interessant und wichtig. 1773 übergab im sein Vater Christian Ludwig zu Putlitz das Gut Pankow (mit Retzin). Dieser bezog in Pankow den alten Rittersitz mitten im Dorf und erbaute wahrscheinlich auch ein neues Wohnhaus bzw. ließ das vorhandene Gebäude ausbauen und die Innenräume zumindest neu dekorieren, wie aus der Tatsache hervorgeht, daß der rote chinesische Seidendamast der Wandbespannung im Saal bereits aus der Aussteuer seiner Frau stammte. Sein Sohn Gustav beschrieb dieses schlichte Gutshaus später in seinem Buch „Mein Heim" ausführlich und sehr anschaulich. Gebhard erbte 1779 von seinem jüngeren Bruder Carl Friedrich die alten Putlitz'schen Güter Laaske und Mansfeld. Gebhard Gans zu Putlitz war ein ebenso geistreicher wie gelehrter Mann, der sich im Alter vorwiegend mit philosophischen Studien beschäftigte, während er in jungen Jahren um die Hebung und Verwaltung seines Besitzes bemüht war. Er war Erbmarschall der Kurmark, Rechts-Ritter des Johanniter-Ordens und übte in der Prignitz das Amt des Ritterschaftsdirektors aus. In Pankow trug er eine bedeutende Bibliothek zusammen, die sich in spärlichen Resten bei der Familie zu Putlitz und im Museum Perleberg erhalten hat, und pflegte den Kontakt mit damals führenden Köpfen der geistigen Elite Deutschlands. Als junger Mensch genoß er - wie sein Vater - eine pietistisch geprägte Ausbildung, besuchte zunächst das Alumnat im Kloster Bergen bei Magdeburg, und studierte dann auf den Universitäten Helmstedt, Göttingen und Halle und legte in letzterer seine lateinische Dissertation vor. Anschließend arbeitete er einige Jahre am königlichen Kammergericht zu Berlin und verkehrte dort mit Friedrich Nicolai, Ephraim Lessing, Moses Mendelsohn, dem er freundschaftlich nahestand, und wahrscheinlich auch Christian Martin Wieland. Er befaßte sich mit wissenschaftlichen Arbeiten und beherrschte die französische, lateinische und holländische Sprache. Der Schriftsteller Stephan Schütze (1771-1839) widmete Gebhard zu Putlitz nach Bekanntwerden dessen Todes (1826) einen längeren Aufsatz, der die Person Gebhards als Denker, Gelehrten und Philosophen würdigt und den nachfolgenden Generationen einen vorbildlichen Charakter schildert. [12]
Auch seine beiden Söhne, Albert Eduard (1789-1881) und Carl Theodor (1788-1848), traten durch besondere Leistungen hervor. Eduard zu Putlitz gehörte zu den Pionieren der modernen Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts. Auf dem Gut seines Vaters Gebhard zu Putlitz in Pankow geboren, wurde er vom Vater für eine militärische Laufbahn bestimmt, der ältere Bruder war zur Übernahme des väterlichen Gutes vorgesehen. 1803 wurde Eduard in der Berliner Militärakademie aufgenommen und entwickelte dort besonderes Interesse an Mathematik, Fortifikation, Physik, Chemie und Statistik, was ihm später bei der Bewirtschaftung seiner eigenen Güter sehr von Nutzen war. Am 18. Oktober 1805 erhielt Eduard sein Offizierspatent und 1806 trat er in das Leib-Garde-Regiment ein in welchem er den unglücklichen Feldzug in Thüringen und die Niederlage bei Auerstädt miterlebte. Nach der Kapitulation von Prenzlau (28.10.1806) wurde er, wie viele Offiziere aus dem Dienst entlassen und erlebte auf dem elterlichen Gut in Pankow die schweren Jahre französischer Einquartierung mit. 1808 ging er auf die Universität Göttingen und 1811 schließlich nach Berlin. 1812 übernahm er gemeinsam mit seinem Bruder Carl Theodor (1788-1848) auf Wunsch ihres Vaters die Bewirtschaftung des zu Pankow gehörenden Vorwerkes Mansfeld, wo beide ihre landwirtschaftliche Praxis erlernten. Diese Tätigkeit wurde von den 1813 beginnenden Befreiungskriegen, an denen Eduard als Hauptmann der Landwehr teilnahm, unterbrochen.
Nach dem Frieden von 1814 übernahm er auf Wunsch des Vaters die Bewirtschaftung des Gutes Retzin, wo er zugleich mit dem Aufbau des neuen Gutshofes begann und 1816, nach Rückkehr aus dem Frankreichfeldzug, ein neues Gutshaus baute, aus dem sich der jetzt noch stehende Bau entwickelt hat. Hier begann er nach modernsten Gesichtpunkten und durch die Bestimmungen der Stein-Hardenberg'schen Gesetzgebung begünstigt, einen durch die Franzosenzeit und rückschrittliche Bewirtschaftungsmethoden daniederliegenden Gutsbetrieb aufzubauen. Den Lehren von Albrecht Thaer war er sehr aufgeschlossen und begann als einer der ersten Prignitzer Landwirte mit der Einführung der Fruchtwechselwirtschaft, einem ausgedehnten Kartoffelanbau und einer modernen Schafzucht. Die Äcker und Wiesen ließ er durch Gräben und später Drainagen entwässern und durch Dung- und Mergelwirtschaft deutlich verbessern. [13]
Als er nach dem Tode des Vaters 1826 zunächst noch das Gut Laaske und nach dem Todes seines Neffen Theodor Carl (1816-1859) auch noch das alte väterliche Gut Pankow übernahm, hat er diese mit derselben Tatkraft und betriebswirtschaftlichen Kompetenz geleitet und zu guten Erträgen geführt. Retzin übergab er 1850 seinem Sohn Gustav in Eigenbewirtschaftung, Laaske 1859 seinem zweiten Sohn Eugen (1832-1893) und schließlich das Gut Pankow 1878 seinem Enkel Konrad (1855-1924). Sein Bruder Carl Theodor trat politisch in Erscheinung indem er von der Prignitz 1848 als Abgeordneter zur Nationalversammlung nach Frankfurt am Main entsandt wurde.
Gustav zu Putlitz (1821-1890) übernahm 1853 von seinem Vater Eduard (1789-1881) das Gut Retzin. Mit ihm bezog ein Dichter das Retziner Herrenhaus, der - anders als sein Vater - auf künstlerischem Gebiet seine größten Erfolge verzeichnete. Nach dem Studium der Rechte in Berlin und Heidelberg und dem Militärdienst beim 2. Garde-Regiment in Berlin arbeitete Gustav seit 1846 einige Zeit bei der Provinzialregierung in Magdeburg. Er wollte zunächst die diplomatische Laufbahn einschlagen. Im Januar 1848 trat er eine längere Reise nach Italien an, von der er im Mai 1848 nach Retzin zurückkehrte. In dieser Zeit entwickelte sich seine sehr freundschaftliche Beziehung zu Willibald Alexis (1798-1871), die bis zu dessen Tod bestand und sich sehr prägend auf Gustavs eigene schriftstellerische Ambitionen ausgewirkt hat. Immer öfter trat er mit seinen literarischen Arbeiten und Bühnenstücken an die Öffentlichkeit. Schließlich gab er die Laufbahn im Staatsdienst auf und widmete sich der Bewirtschaftung des väterlichen Gutes Retzin. Nachdem er von 1853 bis 1863 diese Gutswirtschaft geleitet hatte, übernahm er 1863 auf Anregung seines Freundes und bisherigen Schweriner Hoftheaterintendanten, Friedrich von Flotow (1812-1883), die Generalintendantur am großherzoglichen Theater in Schwerin; ein Amt, welches er bis 1867 ausübte. Im selben Jahr (1867) übernahm er für ein Jahr, dem besonderen Wunsche des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1831-1888) - späterer Kaiser Friedrich III. - folgend, das Amt des Hofmarschalls des kronprinzlichen Hofes in Potsdam. In den 1870er Jahren leitete Gustav zu Putlitz dann längere Zeit die Redaktion der Spenerschen Zeitung in Berlin, bevor er schließlich 1873 auf Wunsch des Großherzogs Friedrich I. von Baden (1826-1907) - der Schwiegersohn Kaiser Wilhelms I. - die Leitung des Karlsruher Hoftheaters übernahm. Dies war eine Stellung, in der er noch einmal alle seine dichterischen und administrativen Kräfte konzentrieren konnte. Im Sommer 1889 trat er aus Altersgründen von dieser Position zurück, um von da an nicht nur im Sommer, sondern wieder ganz im heimatlichen Retzin zu leben. 1888 wurde er Senior der Familie und dadurch Erbmarschall der Kurmark Brandenburg, als solcher außerdem auch erbliches Mitglied im preußischen Herrenhaus, der ersten Kammer des Landtages. Noch kurz vor seinem Tode erlebte er seine Wahl zum Ehrenmitglied des deutschen Bühnenvereins. [14]
Retzin wurde durch Gustav zu Putlitz bis weit über die Grenzen der Prignitz hinaus bekannt und berühmt. Alljährlich im Sommer füllte sich das Retziner Herrenhaus mit Gästen aus nah und fern. Ein Stammbuch seiner Frau Elisabeth, geb. Gräfin Königsmarck (1825-1901), mit Eintragungen von Emanuel Geibel, Fritz Reuter, Viktor von Scheffel, Clara Schumann, Paul Heyse u. a. ist erhalten und befindet sich sich heute in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Gesellschaftliche und kulturelle Höhepunkte, an denen auch die Bevölkerung Anteil nahm, bildeten dann oft Aufführungen von Gustavs Werken. Eine der großen Theateraufführungen am Retziner Musenhof war die der Oper "Rübezahl" von Friedrich von Flotow, die im August 1852 auf einer Tenne des Hofes Premiere hatte und zu der Gustav den Text schrieb. Aufführende waren Familienmitglieder, Sommergäste und schließlich auch Retziner Dorfbewohner. Es musizierten befreundete Kunstliebhaber, unterstützt von Stadtmusikanten aus Perleberg. Die Dekorationen malte der mit Gustav befreundete, später bekannte Historienmaler Wilhelm Camphausen.
Konrad Gans Edler Herr zu Putlitz (1855-1924), Herr auf Pankow, königlich preußischer Kammerherr, Erbmarschall der Kurmark (seit 1916) und als solcher Mitglied des preußischen Herrenhauses (1. Kammer des Landtages) wurde als zweiter Sohn des Theaterintendanten und Dichters Gustav zu Putlitz (1821-1890) und der Gräfin Elisabeth von Königsmarck in Retzin geboren. Seine Schulbildung genoß er zunächst in Berlin auf dem collège francais und dem Werderschen Gymnasium und später - bedingt durch sein chronisches Asthmaleiden - auf dem privaten Institut des Professors Brinkmeyer in Ballenstedt, ganz in der Nähe der Burg Falkenstein, wo sein Onkel Ludwig von der Asseburg lebte, den er dort häufig besuchte. Später lernte er auf mehreren Gütern Landwirtschaft und übernahm schließlich 1878 das alte Putlitzsche Gut Groß Pankow, wo damals noch sein Großvater Eduard zu Putlitz lebte. Das alte biedermeierliche Gutshaus in Groß Pankow von 1827 ließ er 1891 durch den Regierungsbaumeister Wilhelm Moeller im gründerzeitlichen Stil umbauen. Aus seiner Ehe mit Emilie Lürman (1856-1934), die einer alten angesehenen Bremer Kaufmannsfamilie angehörte, gingen die Töchter Erika von der Schulenburg (1890-1978) und Elisabeth von Barsewisch (1894-1962) sowie die Söhne Gisbert (1886-1915), der im ersten Weltkrieg in Polen fiel, Stephan (1885-1951), der bis 1945 in Retzin und danach in Perleberg lebte und Waldemar (1888-1945), der bis 1945 Groß Pankow bewirtschaftete, hervor. Der nächsten Generation gehören die wieder in Groß Pankow seßhaften Professoren Dr. Gisbert zu Putlitz und Dr. Bernhard von Barsewisch an, beide in zahlreichen Ehrenämtern wieder für die Prignitz und die Altmark tätig. Im Gutshaus Groß Pankow betreibt zudem der Enkel Konrads zu Putlitz, Bernhard von Barsewisch, der Gutshaus und Park vom Landkreis Pritzwalk erwerben konnte und inzwischen wiederhergestellt hat, gemeinsam mit zwei Partnern seit 1993 eine moderne Augentagesklinik.
Wie sein Vater Gustav entwickelte Konrad zu Putlitz ein ausgesprochenes Interesse für Literatur und Dichtung. Am Ende seines Lebens begann er seine Arbeit an der Übersetzung von Dantes "Göttlicher Komödie", die unter Kennern als die formvollendetste gilt. Sie gelangte jedoch nur in den ersten zwei Dritteln 1923 mit Band 1 und 2 zum Druck (Der Tempel Verlag, Leipzig). Er war aber auch Landwirt und Politiker. Das märkische Brennereiwesen verdankt seinem Engagement am Ende des 19. Jahrhunderts einen kolossalen Aufschwung. Er war daneben Mitbegründer und bis 1924 Aufsichtsratsvorsitzender der Perleberger Viehversicherungs AG. Seiner Tatkraft und Initiative verdankte das Perleberger Impfstoffwerk seine Gründung. Auch das märkische Genossenschaftswesen erfuhr besonders durch Konrad zu Putlitz Auftrieb und Förderung; er war von 1911 bis 1924 Verbandsdirektor des "Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Mark Brandenburg und der Niederlausitz". So war er auch Mitbegründer und Aufsichtsratsmitglied der genossenschaftlichen Stärkefabriken in Karstädt und Kyritz. Außerdem setzte er sich für die Begründung und den Ausbau der kreislichen Landwirtschaftsschulen ein, die die Grundlage für eine moderne Landwirtschaft legten. Als korrespondierendes Mitglied der Société Nationale d'Agriculture de France übersetzte er das damals in Landwirtschaftskreisen sehr populäre Buch des französischen Agrarpolitikers Jules Méline "Die Rückkehr zur Scholle und die industrielle Überproduktion" ins Deutsche. Seine Übersetzung erschien 1906 bei Parey in Berlin.
Im Kreis Ostprignitz wirkte er in zahlreichen Ehrenämtern aktiv am öffentlichen Leben mit (Kreisdeputierter, Kreisausschußmitglied, Kreistagsabgeordneter, Amtsvorsteher u. a. In seinem Heimatort Groß Pankow gründete er 1896 die Spar- und Darlehnskasse, der er bis zu seinem Tode vorstand - später (1908) auch noch die Ostprignitzer Viehverwertungsgenossenschaft, in der er lange Jahre als Aufsichtsratsvorsitzender tätig war. Gemeinsam mit seinem Onkel Eugen zu Putlitz (1832-1893) setzte er sich zu Beginn der 1880er Jahre sehr engagiert für den Bau und die Finanzierung der Eisenbahnlinie Perleberg-Wittstock ein, der dann schließlich bis 1885 zur Ausführung gelangte. Auf besonderen Wunsch Kaiser Wilhelms II. (1859-1941) übernahm er 1909 auch die Stellung des Stiftshauptmanns des Klosters zum Heiligengrabe. 1901 ernannte ihn Wilhelm II. zum königlich-preußischen Kammerherrn, und 1916 wurde er als Senior der Familie Gans zu Putlitz auch Erbmarschall der Kurmark und als solcher erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses. Er gehörte vor dem Weltkrieg häufiger zur engeren Umgebung des Kaisers und nahm u. a. an einer seiner Nordlandfahrten teil. Beide kannten sich schon aus Kindertagen, als Konrads Vater Hofmarschall des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm (späterer Kaiser Friedrich III.) war und er, sowie sein älterer Bruder Stephan (1854-1883) zu den Spielkameraden des fast gleichaltrigen Prinzen Wilhelm gehörten. Während des ersten Weltkrieges vertrat er längere Zeit den Landrat.
Konrad zu Putlitz war eine beeindruckende und vielseitige Persönlichkeit, und neben seinen vielen Verpflichtungen fand er auch die Ruhe für seine Familie und zu schriftstellerischer Arbeit und philosophischen Studien. Die weltberühmte Sopranistin Lotte Lehmann (1888-1976), ein Perleberger Kind, verdankte diesem Mann und seiner besonderen Protektion ihre unvergleichliche Karriere. Sein Wirkungskreis und Betätigungsfeld waren groß, und er war in seiner Prignitzer Heimat ein geachteter Mann. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem 1848 vom Neffen seines Vaters, Theodor Carl (1816-1859), angelegten Familienfriedhof im Gutspark in Groß Pankow. [15]
Eugen zu Putlitz, der die jüngere Laasker Linie begründete, war der jüngere Bruder Gustav's und beruflich mit Leib und Seele Landwirt. Er übernahm vom Vater 1859 das Gut Laaske bei Putlitz und vermählte sich 1861 mit Sophie von Rohr aus dem Hause Dannenwalde (1841-1902). Aus Anlaß des Ordensfestes des Roten Adler-Ordens ist Eugen, der damals Kreisdeputierter war, am 22.1.1888 der Rote-Adler-Orden 3. Klasse mit Schleife verliehen worden. Er war Mitglied im Verwaltungsrat der Landwirtschaftlichen Vereinsbank für die Prignitz e. G. in Pritzwalk und außerdem auch Vorstandsmitglied des Landwirtschaftsvereins Pritzwalk und vertrat gelegentlich den Landrat der Ostprignitz in seinen Amtsgeschäften, so im August/September 1888.
Das Kreisblatt für die Westprignitz (Nr. 18 vom 31.1.1893) druckte folgenden Nachruf nach seinem Tode ab: „In der Nacht vom 29. zum 30. Januar verschied zu Laaske sanft nach kurzem aber schwerem Leiden der Rittergutsbesitzer Frhr. zu Putlitz-Laaske. In ihm hat der Tod einen der besten Männer getroffen. Welches Prignitzer Kind sollte ihn nicht kennen, den alten Herrn mit dem wackern Herzen und der stets helfenden Hand. Wie manchem hat er mit Rath und That zur Seite gestanden. Wie manchen, den die Ungunst der letzten Jahre schwer getroffen hatte, hat er durch sein Einschreiten vorm wirthschaftlichen Ruin gerettet. Man frage unter den Bauern, man frage unter den Bürgern der umliegenden Städte und Flecken, man frage unter den Granden des Landes. Er war ein Edelmann im besten Sinne des Wortes. Den Vater der Prignitz hörte man ihn oftmals nennen, fürwahr ein stolzer Name für einen Gutsbesitzer. In unserer Zeit des Materialismus und des selbstsüchtigen Strebens sind Erscheinungen wie die des Laasker Barons selten geworden. Doppelt Ehre darum dem Andenken des Geschiedenen."
Ebenfalls aus der Laasker Linie der Familie stammte der älteste Enkel von Eugen zu Putlitz, Wolfgang zu Putlitz (1899-1975), der durch sein autobiographisches Werk das bekannteste Mitglied der Familie Gans zu Putlitz in der DDR war. [16] Er besuchte die Ritterakademie in Brandenburg/Havel, die er 1917 mit einem Kriegsabitur abschloß. Bis Kriegsende 1918 diente er als Leutnant im Potsdamer 3. Garde-Ulanen-Regiment im Felde. Nach dem Krieg lernte er praktische Landwirtschaft, bezog im Herbst 1919 die Universität Berlin, studierte dort bis einschließlich Sommer 1920, und wechselte dann an die Universität München. Im Frühjahr 1921 erhält er eine Stellung bei der Aktiengesellschaft Hugo Stinnes für Seeschiffahrt und Seehandel in Hamburg. Von dort aus besuchte er die Hamburgische Universität, an der er 1924 zum Doktor der Staatswissenschaften promovierte. Thema seiner Doktorarbeit war die Auswirkung der Geldentwertung auf die landwirtschaftlichen Betriebe in der Prignitz. 1925 trat er in den Dienst des Auswärtigen Amtes ein und wurde in den deutschen Botschaften in Posen, Washington und Haiti tätig. Seit 1933 war er in der Presseabteilung der Reichsregierung tätig, später als Presseattaché in Genf, Paris, London und bis 1939 in Den Haag. Früh von sozialistischen Ideen beeinflußt, arbeitete er schließlich bei Kriegsausbruch 1939 als Agent für die Engländer und floh nach Großbritannien, wo er bis 1946 als Emigrant lebte. Da er mit dieser Vorgeschichte nach dem Weltkrieg in Westdeutschland nicht Fuß fassen konnte, siedelte er 1952 in die DDR über, wo er als Repräsentationsfigur auch längere Jahre gebraucht und gefördert wurde. Hier verfaßte er seine beiden Memoirenbände: „Unterwegs nach Deutschland", von dem 1972 bereits die 16. Auflage beim Verlag der Nation erschien und „Laaske, London und Haiti" (die 1. Auflage erschien 1965 beim Verlag der Nation Berlin). Wolfgang zu Putlitz starb 1975 in Berlin und wurde auf dem Kirchhof in Groß Kreutz (v. d. Marwitz) beigesetzt. [17]
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Fußnoten
[1] Grundlegend zur Geschichte von Schloß Wolfshagen: Torsten Foelsch, Schloß Wolfshagen, in: Schlösser und Gärten der Mark, hrsg. Von Sibylle Badstübner-Gröger, Berlin 1996; Bernhard von Barsewisch, Torsten Foelsch, Schloss-Museum Wolfshagen. Einführung und Katalog zu den ersten Museums-Räumen im Corps de Logis des Barockschlosses Wolfshagen/Prignitz mit den Themen Unterglasurblau-gemaltes Porzellan sowie lokale Adelskultur, 2. Überarb. Auflage, Groß Pankow 1999; Oliver Hermann, Edzard Rust, Wolfshagen/Prignitz, in: Herrenhäuser in Brandenburg und der Niederlausitz. Kommentierte Neuausgabe des Ansichtenwerks von Alexander Duncker (1857-1883), hrsg. Von Peter-Michael Hahn und Hellmut Lorenz, Berlin 2000, Band 2, Katalog, S. 639-642 (Die dort vermutete Existenz eines barocken Ostflügels konnte durch archäologische Grabungen 1998 ff. nicht nachgewiesen werden.)
[2] Vgl. zum Besitzstand und zur älteren Genealogie der Edlen Gans besonders: Fritz Fischer, Zur älteren Genealogie der Edlen Herren Gans zu Putlitz, in: Ahnenreihenwerk Geschwister Fischer, Bd. 5, Bietigheim-Bissingen 1985, S. 474-535; Walter Luck, Die Prignitz, ihre Besitzverhältnisse vom 12. bis zum 15. Jhd., mit Karten und Urkundenanhang, in: Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg, München, Leipzig 1917, S. 102-118, 219-234; Heinrich Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg und des Markgrafentums Niederlausitz in der Mitte des 19. Jahrhunderts, Bd. 1, Brandenburg 1853, S. 653-662; B. Ragotzky, Ad. M. Hildebrandt, Stammtafeln der Familie Gans Edlen Herren zu Putlitz, von ihrem ersten urkundlichen Auftreten bis zur Gegenwart, Berlin 1887; Detlev Schwennicke, Europäische Stammtafeln Neue Folge Band XXI Brandenburg Preußen 2, Frankfurt a. M. 2002, Tafeln 58-69 (Gans zu Putlitz).
[3] Vgl. Adolph Friedrich Riedel, Die Herrschaften Putlitz und Wittenberge und die Edlen Herren Gänse, Freiherren zu Putlitz, in: Codex diplomaticus Brandenburgensis, A I, Berlin 1838, S. 268 f. Adolph Friedrich Riedel führt in seinem Codex diplomaticus brandenburgensis (Band A III, S. 339) an, daß die von Blankenburg dem Kurfürsten Friedrich II. gelobten, von ihrem Schloß Wulfeshagen aus keinerlei Krieg und Fehde zu führen und brachte die diesbezügliche Urkunde in Verbindung mit dem Wolfshagen in der Prignitz. Er unterlag hier einer Verwechselung mit dem uckermärkischen Wolfshagen, das ein alter Besitz der Familie von Blankenburg war. Leider ist dieser Irrtum später mehrfach ungeprüft in anderen Werken übernommen worden (Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg ..., Bd. 1, S. 658; Opalinsky, Geschichtliches über die Städte, Klöster, Schlösser und adligen Familien sowie die Rittergüter und ländlichen Ortschaften der Prignitz, Wittstock 1906, S. 117; Die Kunstdenkmäler des Kreises Westprignitz, Berlin 1909, S. 344). Wolfshagen in der Prignitz war seit dem 12. Jhd. bis 1945, mit kurzer Unterbrechung in der 2. Hälfte des 17. Jhd., im Besitz der Edlen Gans zu Putlitz. Die Familie von Blankenburg hatte in der Prignitz zu keiner Zeit Grundbesitz. Zu Marienfließ vgl. u. a. auch Riedel (wie oben), Das Cistercienser Jungfrauen-Kloster Marienfließ an der Stepenitz, in: A, Bd. 1, Berlin 1838, S. 229-241; Clemens Bergstedt, Udo Geiseler, Zur Geschichte des Klosters Marienfließ, Pritzwalk 1998.
[4] Vgl. Georg Friedrich Lisch, Die verwandtschaftlichen Verbindungen des älteren Hauses Gans von Putlitz mit altfürstlichen Geschlechtern, dargestellt und durch Urkunden erläutert, Schwerin 1841.
[5] Riedel (wie Anm. 3), S. 272.
[6] Die Belehnungsurkunde hat sich im Original erhalten und befindet sich im Archiv von Prof. Dr. Gisbert Freiherrn zu Putlitz in Heidelberg. Sie wurde in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Pastor Ragotzky (Triglitz) neben anderen Dokumenten auf dem Dachboden des Gutshauses Putlitz-Burghof gefunden und mit diesen in das Familienarchiv auf Schloß Wolfshagen gegeben. Zuletzt (bis 1945) befand sich dieser Lehnbrief offenbar im Gutsarchiv Retzin und wurde mit wenigen anderen Archivalien gerettet, während die sämtlichen Familienarchive der Putlitzschen Güter sonst größtenteils 1945 ff. vernichtet wurden. Der Wortlaut der Belehnungsurkunde mit dem Obermarschallamt ist abgedruckt bei Riedel (wie Anm. 3, Band 1, Berlin 1838, S. 304) und bei Fischer (wie Anm. 2, Band 5, S. 506/507).
[7] Vgl. Bernhard von Barsewisch, Zur Frühgeschichte der Edlen Herren Gans zu Putlitz, München 1982, 1992 (Typoskript).
[8] Vgl. Hans Müller, Wittenberge und seine Herren, in: Prignitzer Volksbücher Nr. 85/86, Pritzwalk 1930.
[9] Vgl. hierzu: Werner Vogel, Prignitz-Kataster 1686-1687, in: Mitteldeutsche Forschungen, Bd. 92, Köln, Wien 1985.
[10] Ersnt Friedlaender (Hrsg), Ältere Universitäts-Matrikel,. Bd. 1. Universität Frankfurt a. O. 1506-1648, Leipzig 1887-1891.
[11] Vgl. hierzu die Einzelheiten bei: Christian Krollmann (Hrsg.), Die Selbstbiographie des Burggrafen Fabian zu Dohna (1550-1621) nebst Aktenstücken zur Geschichte der Sukzession der Kurfürsten von Brandenburg in Preussen aus dem fürstlich Dohnaschen Hausarchive zu Schlobitten, Leipzig 1905.
[12] Vgl. Gustav zu Putlitz, Mein Heim. Erinnerungen aus Kindheit und Jugend, Berlin 1885, S. 3-28; Stephan Schütze, Gans Edler Herr zu Putlitz auf Pankow in der Prignitz, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, Jg. 4, 1826.
[13] Wolfgang zu Putlitz, Eduard zu Putlitz (1789-1881). Ein Stück Familiengeschichte, aus Briefen und Tagebuchblättern für die Familie zusammengestellt, Labes 1903
[14] „Lächelnde Blumen des Friedens" Der spätromantische Schriftsteller Gustav zu Putlitz und sein Gut Retzin in der Prignitz als ländlicher Musenhof der Mark Katalog zur Ausstellung im Schloß-Museum Wolfshagen vom 8. September 2002 bis 31. Dezember 2002, bearbeitet von Torsten Foelsch und Bernhard von Barsewisch, herausgegeben vom Förderverein Schloßmuseum Wolfshagen, Groß Pankow 2002; Gustav zu Putlitz, Mein Heim. Erinnerungen aus Kindheit und Jugend. Mit einem Vorwort und Anmerkungen zur Neuausgabe von Bernhard von Barsewisch, Berlin 2002.
[15] Vgl. u. a.: Konrad zu Putlitz, Spiritusfragen. Vortrag gehalten im Klub der Land- und Forstwirte in Wien am 20. April 1904, in: Klub der Land- und Forstwirte in Wien, 1904, Veröffentlichung Nr. 24, S. 1-23; Lita zu Putlitz, Konrad zu Putlitz, in: Heimatkalender der Ostprignitz 1924, 22. Jg., Pritzwalk 1926, S. 74-74; Waldemar zu Putlitz, Lebensbild meines Vaters Konrad Gans Edler Herr zu Putlitz, Groß Pankow o. J. (Maschinenschr. um 1940); Bernhard von Barsewisch, Torsten Foelsch, Sieben Parks in der Prignitz. Geschichte und Zustand der Gutsparks der Gans Edlen Herren zu Putlitz, Berlin 2004.
[16] Wolfgang zu Putlitz, Unterwegs nach Deutschland. Erinnerungen eines ehemaligen Diplomaten, Berlin 1956.
[17] Vgl. dazu u. a.: Adelige Rückkehrer im Land Brandenburg. Ihr heutiges Engagement und das Wirken ihrer Vorfahren 1806-2000, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Geschichtswerkstatt e. V., Berlin 2001.